Freitag, 07.10. 2016
Pressemitteilung

Kontroverse Ernährungsthesen auf dem Prüfstand - 14. Dreiländertagung der DGE, ÖGE und SGE

Zum Thema Ernährung kursieren zahlreiche Mythen. Auch die Medien greifen oft Ernährungsfragen auf und stellen diverse – nicht selten von der vorherrschenden Lehrmeinung abweichende – Thesen auf. Einige der Behauptungen entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Daher stellt die 14. Dreiländertagung der Ernährungsfachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kontrovers diskutierte Ernährungsthesen auf den Prüfstand.
Prof. Dr. Helmut Heseker, Universität Paderborn, der zusammen mit Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW), die Wissenschaftliche Leitung der Tagung innehat, sagt: „Immer wieder werden wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel gezogen und in der Laien- und Fachpresse kontrovers diskutiert. Mit dieser Dreiländertagung wollen wir uns die Fakten genau ansehen und dazu beitragen, einige Widersprüche auszuräumen.“ 320 Teilnehmer aus Ernährungswissenschaft und -wirtschaft, Mediziner und Diätassistenten tauschen sich am 6. und 7. Oktober 2016 über aktuelle Forschungsergebnisse zu kontrovers diskutierten Ernährungsthesen in Hamburg aus. Im Fokus stehen u. a. der Einfluss des Fruktose- und Zuckerkonsums auf Stoffwechselkrankheiten, Ernährungsempfehlungen für Nahrungsfette, die Referenzwerte für die Proteinzufuhr, die Speisesalzzufuhr sowie der Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmitteln. Ein Themenblock der Veranstaltung nimmt kontrovers diskutierte Lebensmittelgruppen wie Milch und Milchprodukte, rotes Fleisch und „Frei von“-Produkte unter die Lupe.

Sind Milch und Milchprodukte empfehlenswert?

Prof. Dr. Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut in Karlsruhe geht in seinem Vortrag der Frage nach, ob aktuelle Verzehrempfehlungen für Milch und Milchprodukte wissenschaftlich begründet sind. Denn obwohl sie wertvolle Nährstoffe wie hochwertige Proteine, B-Vitamine, Calcium und verschiedene Spurenelemente enthalten, sind Verbraucher in Deutschland zunehmend über den gesundheitlichen Wert von Milch und Milchprodukten verunsichert. „Hintergrund hierfür sind nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur gesundheitlichen Wirkung dieser Lebensmittel, sondern individuelle Einschätzungen einzelner Personen, die über die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten eine weite Verbreitung finden.“ sagt Watzl. Die Ergebnisse epidemiologischer Studien weisen darauf hin, dass der moderate Verzehr von Milch und Milchprodukten mit leichten gesundheitlichen Vorteilen hinsichtlich des Risikos verschiedener Krankheiten einhergeht. Lediglich für Prostatakrebs wurde ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei einem sehr hohen Verzehr von mehr als 1,2 Liter Milch pro Tag beobachtet. Der Orientierungswert der DGE von 200-250 g Milch und Milchprodukten sowie 50-60 g Käse pro Tag ist daher weiterhin eine gute Richtschnur.

Erhöht rotes Fleisch das Risiko für Dickdarmkrebs?

Nur in 10 % der 70 000 Dickdarmkrebs-Fälle, die jährlich neu diagnostiziert werden, ist die Tumorentstehung erblich bedingt. Neben Rauchen, hohem Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, zu wenig Ballaststoffen, einer fett- und kalorienreichen Ernährung gilt auch der häufige Konsum von stark erhitztem rotem Fleisch als Risikofaktor, stellt Prof. Dr. Pablo Steinberg, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, fest. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat den Konsum von rotem Fleisch aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz als „möglicherweise krebserregend für den Menschen“ und den von Fleischerzeugnissen als „krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Beim Erhitzen können eine Vielzahl von Substanzen auf oder im roten Fleisch gebildet werden, die eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Dickdarmkrebs spielen können: die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs), die heterocyclischen aromatischen Amine (HCAs) sowie exogen gebildete Nitrosamine. Neuere Studien legen nahe, dass endogen gebildete N-Nitroso-verbindungen (NOCs), die durch den Verzehr großer Mengen an rotem Fleisch entstehen, als Dickdarmkanzerogene in Betracht gezogen werden müssen. Welche Mechanismen letztendlich zur Entstehung von Dickdarmkrebs führen, sei bis heute nicht nachgewiesen worden, resümiert Steinberg.

„Frei von“-Produkte – ein echter Mehrwert?

Für Menschen mit einer Lebensmittelallergie oder -intoleranz ist das Meiden entsprechender Lebensmittel bis heute das einzige Mittel, um eine Reaktion zu verhindern. Daher sind korrekt hergestellte und deklarierte „Frei von“-Produkte für Betroffene ein Segen. Georg Schäppi vom Allergiezentrum Schweiz weist in seinem Vortrag „„Frei von“-Produkte zwischen Medizin und Markt“ darauf hin, dass dieses Bedürfnis in den letzten Jahren durch den Trend der „Frei von“-Ernährung überlagert worden ist. Dies sei für echte Betroffene eher kontra-produktiv, weil sie die lebenswichtigen Sicherheitsanforderungen in die Nähe von lockeren Wellnessthemen rücke. Die hohe Präsenz der „Frei von“-Produkte sollte nicht dazu führen, dass Menschen ohne Lebensmittelallergien oder -unvertäglichkeiten pauschal auf bestimmte Lebensmittel verzichten. Schäppi stellt das Schweizer Allergie-Gütesiegel vor, das fundierte Richtlinien für Produkte definiert, die einen echten Vorteil für Betroffene bieten und über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Der Themenblock „Kontrovers diskutierte Lebensmittel“ sowie die abschließende Podiumsdiskussion mit dem Titel „Geschmack versus Gesundheit – Brauchen wir neue Lebensmittel?“ werden live auf der Startseite www.dge.de übertragen. undefinedHier gelangen Sie zum Programm.